«Soziales Gewissen der CSU»: Barbara Stamm ist tot

Stadträtin, Landtagsabgeordnete, CSU-Vizechefin, Ministerin, Landtagspräsidentin: Barbara Stamm war eine der erfolgreichsten und beliebtesten bayerischen Politikerinnen, galt als «soziales Gewissen» der CSU. Jetzt ist sie mit 77 Jahren gestorben.

Barbara Stamm war eine große Kämpferin: für die Schwächsten in der Gesellschaft, für das Soziale in der CSU, für ihre Karriere in der Partei nach einer Krebserkrankung – und für mehr Macht für Frauen auf allen Führungsebenen der CSU.

Die Unterfränkin war lange Jahre CSU-Vizechefin, wurde Ministerin im Kabinett von Edmund Stoiber (CSU) und stand später ein Jahrzehnt lang als Präsidentin an der Spitze des Bayerischen Landtags. Sie war nicht nur lange Stimmenkönigin der CSU, sondern galt auch als «soziales Gewissen» der Partei. Am Morgen ist Barbara Stamm nach langer Krankheit in ihrer Heimatstadt Würzburg gestorben, wie der Bayerische Landtag mitteilte. Sie wurde 77 Jahre alt.

Erzwungener Rücktritt

Als Würzburger Stadträtin schaffte es die gelernte Erzieherin in den 70er-Jahren in den Landtag, zehn Jahre später machte der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) sie zur Sozial-Staatssekretärin. Die Würzburger Oberbürgermeisterwahl 1990 konnte Stamm nicht gewinnen – doch von Niederlagen ließ sich Stamm nie entmutigen.

Vier Jahre später beförderte Ministerpräsidenten Stoiber sie zur Sozial- und Gesundheitsministerin, ihrem Lieblings-Kabinettsposten. Während der BSE-Krise 2001 fühlte sich Barbara Stamm allerdings von Stoiber im Stich gelassen und zum Rücktritt gedrängt. Dem BR sagte Stamm dazu, es gebe nun mal politische Entscheidungen, da stehe man mit dem Rücken zur Wand und da könne man keine anderen Entscheidungen treffen als zu sagen: «Das war’s».

Schwere Kindheit

An der Basis war Stamm immer sehr beliebt. So holte sie als unterfränkische CSU-Listenführerin bei Landtagswahlen regelmäßig Rekordergebnisse. Auch nach ihrem Rückzug aus dem Kabinett blieb sie stellvertretende CSU-Vorsitzende. Im Landtag wurde sie zunächst Vizepräsidentin und 2008 dann überparteilich geschätzte Landtagspräsidentin.

Geprägt hat sie ihre schwere Kindheit, wechselnd in einer Pflegefamilie, im Waisenhaus und bei ihrer gehörlosen Mutter – mit einem alkoholkranken Stiefvater. Glücklicherweise habe es ihr nicht geschadet, auch weil es immer Menschen gegeben habe, die sie nie aufgegeben hätten, beispielsweise eine Klosterschwester im Heim und eine Religionslehrerin, schilderte Stamm selbst. Ein Kredit ermöglichte Barbara Stamm in den 1960er Jahren ihre Ausbildung zur Erzieherin. Mit ihrem Mann hatte sie drei Kinder.

Stamm kämpfte für liberale Flüchtlingspolitik

Zum 65. Geburtstag würdigte sie der damalige CSU-Vorsitzende Horst Seehofer mit dem Lob, sie stehe für das C und das S in der CSU – und damit für «Stamm-Kapital unserer Partei».

Seehofers Kurs in der Flüchtlingspolitik hat Barbara Stamm immer kritisiert. Nach dem schlechten CSU-Landtagswahlergebnis 2018 sagte sie, die CSU habe das Thema Asyl und Flüchtlinge überhöht. Dabei habe sie immer darauf hingewiesen, dass man rechts gar nicht so viel gutmachen könne, wie man in der Mitte verliere.

Stamm selbst verpasste 2018 den erneuten Einzug in den Landtag. Sie hatte zwar eines der besten Zweitstimmenergebnisse, wegen der massiven CSU-Verluste schaffte es aber kein einziger CSU-Listenkandidat ins Parlament. 42 Jahre lang hatte Stamm dem Landtag angehört.

Appelle gegen Populismus

2019 wurde Stamm mit dem päpstlichen Gregoriusorden ausgezeichnet. In seiner Laudatio würdigte Bischof Franz Jung sie als «herausragende Politikerpersönlichkeit, die sich stets als Christin, als Katholikin bekannt hat – auch dann, wenn sie von Andersdenkenden dafür kritisiert wurde».

Stamms mahnenden Worte blieben auch nach ihrem Abschied aus dem Landtag hörbar. Beispielsweise ihre Appelle gegen Populismus – ihre Mahnung, dass die Ränder rechts und links in der Gesellschaft nicht stärker werden dürften. Ihrer Rolle als «soziales Gewissen» der CSU ist Barbara Stamm immer treu geblieben.

Aigner: Leidenschaftliche Kämpferin für die Schwachen

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) betonte, als erste Frau an der Spitze des Bayerischen Landtags habe sich Barbara Stamm großen Respekt und hohes Ansehen erworben. » Wir verlieren mit ihr ein großes Vorbild für Frauen in der Politik, eine leidenschaftliche Kämpferin für die Schwachen in der Gesellschaft und eine überzeugte Demokratin.» Stamm sei eine über alle Parteigrenzen beliebte und hochgeschätzte Politikerin gewesen, die sich jahrzehntelang vor allem für die Ärmeren und Schwächeren in der Gesellschaft eingesetzt und ihnen eine Stimme gegeben habe.

Söder: Ein Vorbild für viele Menschen

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) reagierte «mit großer Trauer und Bestürzung» auf den Tod von Barbara Stamm. «Sie war Bayerns soziales Gewissen, Maßstab und Vorbild im Einsatz für die Mitmenschen.» Stamm habe sich immer für die Belange der Bürgerinnen und Bürger stark gemacht, ihr großes Herz habe den Familien und ganz besonders den Schwächsten gehört. «Mit ihrer Hilfsbereitschaft und Wärme war sie ein Vorbild für viele Menschen – auch für mich ganz persönlich. Ich verneige mich vor ihrem Lebenswerk, sie wird mir als Ratgeberin und Mensch fehlen.»

Zu Ehren von Barbara Stamm ordnete der Ministerpräsident für den morgigen Donnerstag sowie für den Tag der Beisetzung die Trauerbeflaggung aller staatlichen Dienstgebäude in Bayern an.

Eberhard Schellenberger

BR-Journalist Eberhard Schellenberger im BR24live

Bildrechte: BR24live

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